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Von Martina Günther (Januar 2023)

Wie soll man beschreiben, wie es ist im Camp Moria 2.0 auf Lesbos zu arbeiten? Aktuell arbeite ich gerade im Container von Earth Medicine. Der Container steht erhöht oberhalb, man hat also einen guten Überblick über das Geschehen dort unten. Wenn es nicht gerade aus Kübeln regnet, sieht es in der Wintersonne fast harmlos aus.

Es sind viele neue Menschen angekommen. Die Härte der Flucht zeigt sich durch einen bei allen ähnlichen Symptomenkomplex. Als Erstes der Schmerz: im Rücken, in den Gelenken, häufig nach Überanstrengung und Stürzen, auch Kopfschmerzen. Magenschmerz meist durch Fehlernährung, Kraftlosigkeit und Erschöpfung.

„We deal with the pain“. Dieser Satz ist in einem der vielen Gespräche gefallen, die Fabiola Velasquez von Earth Medicine führt. Der Weg zum Container ist kurz, es kommen viele Menschen vorbei mit ihren Anliegen. Es wird geklärt, was zu tun ist. Zuzuhören und zu erklären, wer wie weiterhelfen könnte, kostet jedes Mal Kraft und Zeit.

„We deal with the pain“ meint, dass das therapeutische Angebot von Physiotherapie, Akupunktur bis hin zu Homöopathie genau dort ansetzt. Die Gespräche oder besser Konsultationen dienen dem Zweck, einen Therapieplan aufzustellen und herauszufinden, wer intensivere Betreuung benötigt. Es wird im Container gearbeitet, aber auch im „Office“ – der Praxis – in Mytilini. Dort werden die Patienten behandelt, mit Essen, netter Gesellschaft und Gesprächen versorgt. Natürlich sind die Ressourcen knapp. Auch sie bestimmen darüber, wer behandelt werden kann.

Was Fabiola durch ihr Arbeitspensum möglich macht, ist enorm, aber es braucht unbedingt auch den finanziellen Hintergrund. Die Spenden von Space-Eye und jedem anderen Spender sind herzlich willkommen. Ein Dankeschön an jeden, der diese Arbeit so unterstützt.

In dieser Woche habe ich gelernt, dass ein Gewehrkolben ein präzises Schlaginstrument ist, um Knochen zu brechen: Wirbelkörper, Hände, Füße, Rippen. Es ist nicht harmlos dort unten.

Solche Gespräche sind schwierig. Manchmal erwischt es uns auch. Die zugewandte therapeutische Stabilität bekommt Risse und man muss sich kurz sammeln, um weitermachen zu können. Aber zu sehen, dass ein Vertrauen entsteht, das sich in einer Umarmung ausdrückt, oder im Halten einer Hand, einem Blick vielleicht nur, ist Trost und Hoffnung für alle Beteiligten.

Die Autorin Martina Günther

Der Behandlungscontainer von Earth Medicine auf Lesbos (Fotos: Martina Günther)