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Mein unbändiger Wissensdurst hat mir geholfen, zu überleben

Cisse ist aus Guinea geflohen. 2020 ist er in Griechenland angekommen. Alleine, 16 Jahre alt und nach schrecklichen Erlebnissen in seinem Heimatland. Seine Eltern hat er durch gewalttätige Übergriffe verloren, musste sich alleine durchschlagen. Obwohl er unter Planen im Flüchtlingscamp auf Samos leben musste, ließ er sich nicht unterkriegen. Innerhalb eines Jahres lernte er perfekt Griechisch.

Uschi Wohlgefahrt von Space-Eye Hellas erkannte das große Potenzial, das in diesem jungen Menschen mit seiner außergewöhnlichen Intelligenz und Sprachbegabung schlummert. Seit dem Frühjahr 2021 wird er im Housingprojekt von Space-Eye Hellas unterstützt, wohnt in einer kleinen Wohnung und bekommt ein kleines Taschengeld, um sich auf das Lernen konzentrieren zu können. Er besuchte bis vor Kurzem das Gymnasium auf Samos und lernte für das Abitur zusätzlich Altgriechisch und Latein. Sein Traum ist es, in Thessaloniki zu studieren. Auch sein Asylantrag wurde nach langem Warten positiv beschieden. Er kann nun dauerhaft in Griechenland bleiben.

Nach seinem Abitur hat er sich an seine Schule gewandt, um sich zu bedanken und sehr persönliche Worte an die Menschen zu richten, die ihn in der Schule unterstützt haben. Hier könnt Ihr seinen Brief lesen:

„Liebe Freunde, Rektor, Lehrer, Mitschülerinnen und Mitschüler,

ich möchte mich erstmal bedanken, dass Ihr für mich da gewesen seid!

Anlässlich des Schuljahresende und unserer Abschlussfeier und da jeder von uns nun seinen eigenen Weg gehen wird, werde ich versuchen, meine Odyssee von meiner Abreise aus Guinea bis heute darzustellen. Ich spreche mit Euch über den Weg, den ich eingeschlagen habe, über die Länder, die ich durchlaufen musste bis ich in meinem neuen Zuhause angekommen bin, von dem ich noch nicht wusste, dass es mein Zuhause werden würde.

Der Weg aus Guinea war hart. Ich wurde von Banditen angegriffen. Ich sah Menschen an Erschöpfung auf der scheinbar endlosen Reise sterben. Kinder waren darunter, die es nie mehr schaffen können, ihre Träume zu verwirklichen.

Ich bin für ein paar Monate in der Türkei geblieben, bevor ich nach Griechenland gekommen bin. Aber warum bin ich aus der Türkei nach Griechenland gekommen? Als ich zur Schule wollte, wurde mir klar, dass dies in der Türkei nicht möglich sein wird, weil Bildung dort nicht kostenlos ist und ich kein Geld hatte, um den Unterricht zu bezahlen. In Guinea ging ich bis zum Tod meiner Eltern regelmäßig zur Schule. Es war mir ein Bedürfnis, dies fortzusetzen. Wie eine Notwendigkeit, wie ein Grund, deshalb zu durchzuhalten.

Mit diesen Träumen bin ich nach Griechenland gekommen und dachte, dass die nötigen Papiere schnell erledigt wäre. Ich dachte, dass ich nach kurzer Zeit Asyl bekäme, da ich minderjährig und sogar unbegleitet war.

Aber der Prozess verzögerte sich ständig. Während ich wartete, musste ich unter elenden Bedingungen im Camp leben. Da Asylanträge ewig bearbeitet wurden und oft doch abgelehnt wurden, entschied ich mich, nicht länger zu warten und das Camp zu verlassen, auch wenn mir dies eigentlich nicht gestattet war. Es war an der Zeit, mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Es erschien mir als Zeitverschwendung, auf ein Stück Papier zu warten, von dem ich nicht wusste, ob und wann ich es bekommen würde. Ich meldete mich bei dieser Schule.

Seitdem habt Ihr mir in all den schwierigen Zeiten beigestanden. Ihr habt dafür gesorgt, mir das Lächeln zu schenken, das ich für eine lange Zeit verloren hatte. Ich vergesse nie die Sätze, die Ihr mir zu meiner Einschulung gesagt habt: „Willkommen in unserer Schule, Cisse! Du bist einer von uns! Hab keine Angst, sei nicht nervös, komm zu uns, wenn Du uns brauchst und lass uns reden!“ Und auch die Worte des Direktors: „Was auch immer du brauchst, habe keine Angst, klopf an unsere Bürotüren. Wir sind für Dich  da und werden Dich unterstützen!“ Noch immer bin ich sprachlos über die Liebe, die Ihr mir entgegengebracht habt.

Wenn ich nachts wach liege und daran denke, was ich durchgemacht habe, all die Schwierigkeiten, die ich erlebt habe, vergieße ich Tränen. Werden diese Tränen je wieder verschwinden? Einerseits erinnere ich mich an meine Eltern, die ich vermisse, andererseits habe ich Euch, die Ihr mich in diesen Jahren mit Liebe, Zärtlichkeit und Zuneigung erfüllt habt. Ihr seid wie eine Familie für mich geworden. Die Momente, die ich mit Euch verbracht habe, bleiben unvergesslich für mich.

Vielen Dank für Eure Liebe und Fürsorge für mich.
Ihr werdet immer einen Platz in meinem Herzen haben!
Euer Klassenkamerad und Sohn
Cisse“