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Es ist ein schöner Tag, ein ruhige Brise zieht durch das Hafenstädtchen, und die Menschen sehen frisch und entspannt aus. Ich sitze im Café und warte auf Makeda und Nardos, zwei Frauen aus Eritrea, um mit ihnen über ihre Geschichte zu sprechen.

Als die beiden heute im Café ankommen, freuen sie sich sichtlich – wir konnten über das Athen-Projekt von Space-Eye eine Bleibe für Nardos finden, sodass die beiden zusammen bleiben können und die Fähre nach Athen gemeinsam nehmen. Ein Lichtblick.

Wir trinken einen Kaffee und erzählen.

Nardos ist die ältere der beiden Frauen. Sie kann sich mit niemandem verständigen, wenn Makeda nicht für sie übersetzt, denn sie spricht eine eritreische Sprache. Ich erfahre, dass Nardos an Epilepsie leidet, sie ist berufsunfähig und seelisch gebrechlich und alleine. Sie bricht in Tränen aus, Tränen blanker Angst. Beide wischen die Tränen schnell weg, als sei Weinen nicht erlaubt und nur ein Ausdruck von Schwäche. Schwäche kann sich hier keiner leisten. Doch Nardos kann ihren Zustand nicht verbergen, ihre Gesichtszüge erscheinen mir, als ob sie das Lachen verlernt habe und Leere ihr Wesen beherrscht.

Die beiden Frauen sind hier eine Symbiose eingegangen, sie helfen sich gegenseitig beim Überleben. Doch Nardos braucht Makeda mehr, als anders herum – das wurde mir dort klar.

Makedas Eltern kommen aus Eritrea, doch sie sind aufgrund des Krieges nach Äthiopien geflohen, dort ist Makeda geboren. Sie war das einzige Kind. Ihr Vater ist vor ihrer Geburt gefallen, und ihre Mutter starb als sie 16 war nach einer schlimmen Krankheit. Das Kind blieb mutterseelenallein zurück auf der Welt. Als Flüchtlingskind hatte sie nie einen Pass in Äthiopien bekommen, noch durfte sie zur Schule gehen, sie war Staaten- und mittellos. Damit Makeda nicht auf der Straße landen würde, holte sie ihre Tante zurück nach Eritrea, wo sie schlussendlich an einen alten Mann verheiratet werden sollte. Doch das war nicht ihr Leben! Die Wut ist ihr noch heute anzusehen.

Sie entschied sich abzuhauen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. So floh sie über den Sudan in den Libanon, wo sie als Hausmädchen für reiche Libanesen arbeiten sollte. Doch als sich die Bedingungen wie Sklaverei herausstellten und Makeda nie einen Lohn für ihre Arbeit bekam, entschied sie sich auszubrechen. Durch Taglöhnerarbeit konnte sie sich über ein paar Jahre das nötige ansparen, um die Flucht nach Europa zu organisieren.

Makeda ist eine starke junge Frau, ihre Lebensgeschichte hat sie gelehrt, resolut und in Selbstvertrauen Entscheidungen für ihre Zukunft zu treffen. Es war ihr klar, in den arabischen Staaten sollte sie als schwarze Frau nie Chancen auf ein gleichberechtigtes Leben haben.

Die Fluchtroute verlief über Syrien, die Türkei und schließlich im Boot nach Samos. Sie erzählt mir schwer schluckend, sie hätte die ganze Überfahrt geweint, und bis heute verabscheut sie das Meer.

Im überfüllten Camp in Samos lebte sie nun unter widrigen Umständen im Wald und in ständiger Angst, man(n) würde ihr als Frau alleine etwas antun. Verständlich. Dann erhellt sich ihr Gesicht und sie erzählt mir, wie sie Mama Uschi kennenlernte, die ihr als einzige hier wirklich half und sie in das Space-Eye-Programm aufnahm. In der Frauen-WG mit Nardos konnte sie jetzt ein paar ruhige Wochen verbringen, gesundes Essen kochen, duschen und die nächsten Schritte organisieren.

Abschließend erzählt mir Makeda, ihr großer Traum sei London. Dort werde sie einen guten, netten Mann kennenlernen, heiraten und vier gesunde Kinder bekommen – und glücklich sein. Makeda schmunzelt, das wäre wirklich schön. Das soll ihr Leben sein.

Ob Nardos eines Tages vom Überleben zum Leben kommen wird, bleibt ungewiss. Ihr Wunsch ist es irgendwo zu landen, wo eine gute medizinische Versorgung gegeben ist.

Wir wünschen den Beiden das Beste!