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Ob ich wiederkomme? Das entscheide ich jedes Mal neu

Janina kommt immer wieder. Schon das vierte Mal ist sie für viele Wochen hintereinander auf Lesbos, um in Fabiolas Team bei Earth Medicine mitzuarbeiten. Ein Projekt, das von Space-Eye unterstützt wird. Als Freiwillige, sie hat sich hierfür von ihrem Leben in Deutschland freigemacht, ob das einfach ist, wissen wir nicht. Janinas Schwerpunkt ist die psychische und körperliche Behandlung von Traumata. Sie ist Körpertherapeutin und behandelt energetisch, oft eine sehr gute Verbindung mit Physiotherapie.

Sie sagt: „Ich weiß nie, ob ich wiederkomme. Ich entscheide das immer wieder neu.“ Und sie entscheidet sich immer wieder dafür. Warum? „Es ist der richtige Ort, um wirksam zu sein. Einmal kam ich wieder und traf einen Menschen, der körperlich und psychisch völlig am Ende war. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, dem es so elendig ging. Und da wusste ich: seinetwegen bin ich gekommen!“

Janina schätzt den ganzheitlichen Ansatz im Team auf Lesbos. Sie sagt, das sei außergewöhnlich und es bräuchte viel mehr von diesen Ansätzen, um Menschen wirklich helfen zu können. Verschiedene Disziplinen kümmern sich um den einzelnen Menschen und sie entscheiden im Team, welche Behandlung für wen am besten erscheint. Über die Länge der Behandlung entscheiden nicht sie, das tut der Asylprozess – unvorhersehbar, zäh und plötzlich vorüber, was in den meisten Fällen die sofortige Abreise der Menschen bedeutet.

Wie alle in Fabiolas Team behandelt Janina Menschen, die auf Lesbos noch im Camp wohnen, deren Asylprozess noch nicht abgeschlossen ist. Und alle sind über das Meer aus der Türkei gekommen. Viele von ihnen haben chronifizierte Störungen. Von dem Leben vor der Flucht, aber auch von dem, was sie unterwegs erlebt haben. Und die Flucht hat für viele eine lange Zeit gedauert. Manchmal Jahre. Und auch heute würde hier im Camp niemand sagen, dass sie angekommen seien – auf keinen Fall.

Oft haben die Menschen Schmerzen und leiden unter dem, was sie erlebt haben. Eine junge Frau aus Afghanistan berichtet während des Aufnahmegespräches, dass sie maximal ein bis zwei Stunden schläft, sie habe zu viel Angst vor Albträumen, die sie verfolgen. Jede Nacht.

Janina versucht Spannungen, solche in der Psyche, zu lösen. Sie arbeitet mit unterschiedlichen Ansätzen und vor allem der Energie der Menschen. „Oft wundere ich mich, wie leicht es geht, an die Menschen heranzukommen. Oft viel leichter als in Deutschland.“ Dies liege daran, dass viele keinerlei Schutzschild mehr hätten, keine Abwehrmechanismen, um das zu tarnen, was Spuren bei ihnen eingebrannt hat.

Janinas Ansatz ist einer, der im besten Fall über Wochen verläuft. Sie sagt, sie fühle sich schlecht, wenn sie wieder abreisen müsse und Menschen zurücklasse, die noch so viel an Hilfe bräuchten und für die, auch trotz intensiver Betreuung, die Besserung gerade erst begonnen habe.

Und Janina sagt auch, dass die Gewalterfahrungen zugenommen zu haben scheinen seit ihrem letzten Aufenthalt hier. Woran das liegt? Sie weiß es nicht, kann es nur aufgrund ihrer Behandlungen so einschätzen.

Ein großes Problem für Janina ist die oft nicht vorhandene Kontinuität. Nicht nur, weil Menschen plötzlich abreisen, sondern auch, weil sie oft nicht zu Terminen kommen. Sie haben Sorge, Termine im Camp zu verpassen, wenn sie zu Earth Medicine zur Behandlung nach Mytilini kommen. Dort gibt es ein schönes Behandlungshaus mit drei Räumen, denn im Camp sind die Möglichkeiten, hauptsächlich bei schlechtem Wetter, begrenzt. Wie man einen Termin verpassen kann? Das ist für uns nicht einfach vorstellbar, denn wir sind es gewohnt, Termine vorab mitgeteilt zu bekommen, gegebenenfalls verschieben zu können. Nicht so im Leben im Camp. Wenn der Moment gekommen ist, wird man ausgerufen oder abgeholt. Auch, wenn es um wichtige Dinge im Asylprozess geht, der das weitere Leben bestimmen wird. Wenn man nicht da ist? Dann kann sich das monatelange Warten weiter verlängern. Man weiß es nicht.

Natürlich gibt es auch Sprachbarrieren. Nicht immer ist ein Übersetzer – immer auch selbst Flüchtling im Camp – verfügbar. Jeder hat hier seine eigenen Probleme. Und trotzdem helfen Menschen gerne.

Janina sucht nach Verbindungen zu den Menschen – auch ohne Sprache. Und obwohl diese wichtig ist, um einander zu verstehen und die, für viele sicher ungewohnte Therapie, zu begreifen, profitieren die Menschen von dem, was sie Janina erleben enorm, aber ein Spaziergang oder gar Wellness ist es nicht für sie.

Ein junger Mann aus Eritrea war lange hier. Es ist in einem Attentat mit einer Autobombe in Eritrea schwer verletzt worden. Kann eine Seite kaum bewegen, die Schulter und der Rücken sind deformiert. Das kommt von den verletzten Nerven. Alle im Team kennen ihn. Nun ist der Tag der Abreise gekommen. Er hält Janina das Fährticket nach Athen für den gleichen Abend unter die Nase. Der Abschied voneinander ist gekommen. Er öffnet die Hände und hält sie sich wie ein Buch vor sein Gesicht: „Can we do this?“, fragt er Janina, ein Symbol für die Therapie bei ihr. Und meint damit eine letzte Behandlung mit ihr.

Mehr zum Hintergrund an der europäischen Außengrenze und Janinas Arbeit?

https://www.youtube.com/watch?v=gb4gA3Rqgt4

Das Projekt darf nicht enden! Sie möchten Space-Eye Hellas unterstützen?

https://space-eye.org/uschis-housing-project