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Von Beatrix Szabo

Fatou ist mit ihren fünf Kindern in Athen angekommen. Angekommen nach der Flucht aus dem Kongo. Angekommen in der Wohnung vom Housing Projekt von Space-Eye Hellas.

Zehn Jahre zuvor hat sie zusammen mit ihrem Mann ihr Heimatland verlassen. Der Kongo ist immer noch ein Scherbenhaufen aus unklaren, kaum funktionierenden staatlichen Strukturen und gewalttätigen Rebellengruppen. Über 4,5 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Gegen Regierungskritiker gehen Polizei und Militär rücksichtslos vor. Auch Fatous Mann wurde politisch verfolgt. Mit Unterstützung der Verwandtschaft konnte Fatou mit ihrer Familie nach Angola fliehen. Die politische Lage dort ist stabil, und so hofften sie, ein neues Leben beginnen zu können. „In den acht Jahren, die wir dort lebten, unternahmen wir alles, um Teil der Gesellschaft zu sein, immer in der Angst entdeckt zu werden“. Eines Nachts kamen dann tatsächlich Männer, die behaupteten, von der Polizei zu sein und nahmen den Vater der Kinder mit. „Sie haben ihn entführt“, sagt Fatou mit Tränen in den Augen, „ich habe ihn sieben Monate gesucht“. Nach einem Einbruch und völliger Zerstörung der Wohnung flüchteten Fatou und ihre Kinder aus Angola.

Wir sitzen auf dem Sofa in ihrer Dreizimmerwohnung am äußersten Stadtrand von Athen. Neben mir die fünfjährige Moppe mit einer Schnupfennase. Dem traurigen Gesicht meiner Gesprächspartnerin sieht man die Strapazen der vergangenen Jahre an. Eigentlich ist sie eine tatkräftige, lebenslustige Frau, doch beim Erzählen kommen ihre schrecklichen Erlebnisse wieder ins Bewusstsein. Sie vermisst ihren Mann, ihre Verwandten. Sie stockt, braucht eine Pause und erzählt dann weiter.

Nach über 5000 km erreichen Fatou und ihre Kinder endlich Samos. Ihre Anerkennung bekam sie schon Anfang 2021. Aber mit der dadurch gewonnenen „Freiheit“ stehen sie – wie schon so oft vorher – vor dem Nichts. Alle Bezüge und Unterstützungsleistungen entfallen! So lebte sie mit ihren Kindern im Dschungel in einem selbstgefertigten Zelt aus Stofffetzen und Plastik. Kaum vorstellbar, was das für eine alleinstehende Frau bedeutet. Eine junge Frau, alleine mit fünf Kindern, steht praktisch von heute auf morgen auf der Straße, in einer fremden Stadt, in einem fremden Land, umgeben von fremder Sprache und fremden Sitten und Gebräuchen. Willkommen in Europa!

Uschi „fand“ die Familie und unterstütze sie zunächst aus privaten Spenden. Nachdem sie auf Samos keine Wohnung für sie mieten konnten, wurde dann mit weiterer Unterstützung der Organisation Helios für die Familie eine Wohnung in Athen gefunden. Marie-Therese, die Sozialarbeiterin von Space-Eye hilft ihnen bei Behördengängen, Schulangelegenheiten, der Besorgung von Möbeln und Kleidung. Die Familie – sowieso schon zweisprachig – will Griechisch lernen, aber Fatou wird immer verzweifelter. Das Erlernen der fremden Sprache ist zu schwierig. Sie möchte arbeiten, mit anderen Menschen sprechen, sich integrieren. Sie ist traurig, wirkt zerbrechlich.

Uschi: „Mitte Dezember bat Fatou Marie-Thérèse und mich um Entschuldigung, sie könne einfach nicht anders, sie habe es versucht mit allen Mitteln in Athen Fuß zu fassen, aber ohne Erfolg.“ Mit dem Beitrag für den Lebensunterhalt für Dezember kaufte Fatou Tickets, und sie flogen kurz vor Weihnachten nach Frankfurt und fuhren von dort mit dem Zug nach Frankreich.

Uschi: „Gestern Abend hatte ich ein langes Telefongespräch mit Fatou. Sie war völlig ausgewechselt. Sie sendet uns herzlichste Grüße aus Le Havre“. Zurzeit leben sie in einer Wohnung in einer Flüchtlingsunterkunft. In Frankreich hat man ihr Hilfe versprochen. Die Kinder sollen gleich eingeschult werden. Sie ist überglücklich. Fatou kann endlich wieder mit Menschen, in einer ihr bekannten Sprache reden. Ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Immer wieder zwischen dem Erzählen hat sie unterbrochen und mitgeteilt: „Merci mille fois maman pour toutes, merci!“ „Vielen Dank Mama für alles, vielen Dank!“

So wie Fatous Wohnung mietet Space-Eye Hellas auf Samos seit über einem Jahr und in Athen seit ca. einem halben Jahr fast 25 Wohnungen. Über 300 Menschen leben und lebten in den Wohnungen. Fanden ein Zuhause, eine Zuflucht, Ohren und Herzen, die zuhören, Mitgefühl haben und weiter helfen auf dem Weg.